© Stephanie Böhm. Titelbild

100 Jahre Freistaat Bayern und die Rolle der SPD

WIR FEIERN BAYERN, so lautet der Slogan der Staatsregierung im Jubiläumsjahr 2018, dem einhundertsten Geburtstag des Freistaates Bayern. Eine Befragung von Bürgerinnen und Bürgern würde wahrscheinlich ergeben, dass diese Bezeichnung für viele von ihnen durchaus identitätsstiftend ist, weil sie ihr „föderales Selbstbewusstsein emotional untermauert“, so der Historiker Klaus Schönhoven in seinem Vortrag zum Jubiläum in der Akademie Frankenwarte. Weniger bekannt ist jedoch, dass die Gründung des Freistaates Bayern das Werk der politischen Linken war.

Der Satz Kurt Eisners vom 8. November 1918 „Bayern ist fortan ein Freistaat“ steht am Anfang der epochalen Wende, mit der eine gewaltlose Umsturzbewegung Bayern von einer Monarchie in eine soziale Demokratie verwandelte. Gemeinsam mit der bayerischen SPD stellte Eisner dafür die Weichen: Männer und Frauen  erhielten ab dem 20. Lebensjahr das allgemeine und gleiche Wahlrecht. Und die Einführung der Arbeitslosenunterstützung und des 8-Stunden-Tags waren weitere Eckpunkte dieser Reformpolitik. Doch nach Eisners Ermordung im Februar 1919 verflog schon bald die republikanische Aufbruchstimmung.  Mit dem Hitlerputsch von 1923 begann in Bayern der Vormarsch des Rechtsradikalismus.  Die wiederholten Warnungen des Sozialdemokraten Wilhelm Hoegner vor der NSDAP und das „Nein“ aller SPD-Abgeordneten zum Ermächtigungsgesetz, dem alle bürgerlichen Parteien zustimmten, konnten zehn Jahre später die Katastrophe der Machtübergabe von 1933 nicht verhindern.

 

Nach Diktatur, Terror und Völkermord betrauten die Siegermächte im Herbst 1945 Hoegner mit der demokratischen Neuordnung des Landes. Die unter seiner Federführung erarbeitete Verfassung von 1946 war ein weiterer Meilenstein in der Demokratiegeschichte Bayerns. Doch mit Hoegner, der von 1945 bis 1946 und dann von 1954 bis 1957 bayerischer Ministerpräsident war, endet die sozialdemokratische Regierungszeit in Bayern. In den folgenden fünf Jahrzehnten konnte die SPD hier nur noch über Volksbegehren politische Weichenstellungen, beispielsweise in der Umwelt- und Bildungspolitik, erzwingen. Ihre wichtigsten politischen Stützpunkte waren die Großstädte des Landes, in denen Sozialdemokraten oft als hochangesehene Oberbürgermeister amtieren.

 

Schönhoven hat die sozialdemokratischen Wurzeln der bayerischen Demokratiegeschichte freigelegt und die SPD daran erinnert, dass sie allen Grund hat, ihre Identität als republikanische Pionierpartei  selbstbewusst zu feiern und ihre humanistische und emanzipatorische Tradition fortzuführen und sich dabei allen weiß-blauen Sonderwegen der CSU entgegenzustellen.

 

Auch die beiden SPD-Landtagsabgeordneten Georg Rosenthal und Florian von Brunn pflichteten ihm bei und betonten, dass es viele wichtige Themen im Landtag gibt, die der Öffentlichkeit „hörbar“ gemacht werden müssen, so Rosenthal. Innere Haltung zeigen, mit den Menschen diskutieren, Demokratie praktizieren und in der Sache gut argumentieren, so das Fazit der Podiumsgäste und Mitdiskutierenden.  Gerade heute sei es wichtiger denn je, sich auf die eigene historische Identität zu besinnen, die emanzipatorische und humanistische Tradition fortzuführen. Statt: „Wir wollen mehr Demokratie wagen“ gilt für heute: „Wir müssen mehr Demokratie wagen“ – so das wachrüttelnde Plädoyer Schönhovens.

 

 

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